Doch immer war's ein Tanzen ohne Ende
Notizen zu Ushio Amagatsu und Sankai Juku
Von Raimund Hoghe
Die Bilder bleiben.
Der Atem, der den Körper verändert.
Die Hände, die sich öffnen vor dem Körper.
Ein Mann in erdfarbener Uniform, dessen Körper zum monotonen Takt eines Metronoms gleichmäßig schwingt und plötzlich wie ein Brett zu Boden fällt.
Vier weißgeschminkte Männer, die sich in merkwürdigem Tanz wiegen und langsam ihre Hüllen fallen lassen.
Ein stolzer Pfau in den Armen eines Mannes mit rasiertem Schädel.
Körper ohne Arme.
Menschen, die zu Steinen werden.
Zwei Kreise, die sich unmerklich aufeinander zu bewegen.
"Eins, zwei, drei, vier, Eckstein, alles muß versteckt sein." Manche der von Sankai Juku entworfenen Bilder und Szenen erinnern nicht nur an Beschwörungsrituale fremder Kulturen, sondern haben auch etwas von Kinderspielen, von einer Zeit, in der man spielerisch mit Leben und Tod umgehen konnte und voller Lust etwas von sich und seiner Umgebung entdeckte. Möglich werden Blicke in Räume, in denen verschiedene Realitäten ineinander übergehen - wie in einer Geschichte des Tänzers Goro Namerikawa, der einmal vom roten Schnee seiner Kindheit erzählte. "Als ich Kind war, schneite es einmal rot. Ich dachte, daß der Sand aus der Mongolei das ausgelöst hätte, und stellte mir immer vor, daß es in anderen Ländern ein ganz anders Leben und ganz andere Menschen geben müßte." Auf einer Mauer, am Ufer eines Flusses, hinterließ ein Sprayer mit weißer Farbe "Die Sehnsucht nach einem Leben, das …"
Einander suchen, einander bekämpfen. Zwei Männer gehen nebeneinander durch den Raum. Überqueren Seite an Seite die Bühne und nähern sich allmählich einem roten Kreis aus durchsichtigem Glas. Entfernen sich voneinander. Nehmen, getrennt voneinander, im Zeitlupentempo, Haltungen ein, Positionen. Erst angestrengt, später immer lustvoller, lockender. Die aus den Lautsprecherboxen kommende Musik klingt sanft. Ein zweites Paar erscheint. Begegnungen entstehen. Es kommt zu Berührungen, die an Zärtlichkeit denken lassen und sehr vorsichtig sind, behutsam. Doch aus der Vorstellung von Zärtlichkeit wird ein Kampf, Ringkampf und Geschlechtsakt. Die Bewegungen werden immer schneller und heftiger, die fast nackten Körper zu Boden geworfen - bis zur Niederlage, zum Sieg und einem letzten Kuß.
Ushio Amagatsus Stücke sind voll solcher Verwandlungen, Verbindungen, Veränderungen, reich an fließenden Übergängen zwischen Zärtlichkeit und Gewalt, Schönheit und Schmerz, Liebe und Tod. In seinen Arbeiten, sagte der Tänzer und Choreograph bei einer unserer ersten Begegnungen Anfang der achtziger Jahre, seien immer mindestens zwei Seiten einer Sache zu sehen. Das gilt nicht nur im übertragenen Sinn. In einer Szene seines Stücks Bakki steht er hinter einer Glasscheibe und tanzt. Die Bewegungen sind wieder sehr reduziert und behutsam. Das makellose weiße Gesicht des Tänzers ist lange Zeit nur im Profil zu sehen. Erst spät wird auch die lange verborgene Seite sichtbar - eine entstellte und verletzte. Auch in anderen Stücken und Szenen sind die Bilder der Schönheit nicht ungebrochen, die makellosen Körper gezeichnet, verwundet. Schmale rote Spuren verlaufen an Beinen und Ohren; ein Mann hat eine kraterähnliche Wunde am Kopf; die maskierten Gesichter der Tänzer, die in Kinkan Shonen zum "Ritus höchster Feierlichkeit in der Mitte der Stadt zusammenkommen", wirken wie offene Wunden, zerschossen, zerstört - und erlauben doch auch eine andere Sicht. Für ihn seien es nur angelegte Masken gewesen, erklärt ein Freund nach einer Vorstellung. Mit den maskierten Gesichtern tanzen die Männer. Tasten blind nach dem Raum, nach dem anderen.
"Wenn sie meine Hand auslassen, ist es, als wären wir tausend Meilen voneinander entfernt", berichtet eine Taubblinde. Die Tänzer halten ihre Hände, als würden sie etwas sehr Kostbares und Zerbrechliches forttragen und beschützen wollen. Und was wie ein Totentanz begann, wird zu einer Feier des Lebens. Die zerstörten Gesichter sind nicht mehr zu sehen. Mit dem Rücken zum Publikum tanzen die Männer sich wiegend und entblößend aus dem Raum.
"Mit nichts entblößt man sich so wie mit Masken. Nackt, um zu entschlüpfen", notierte Jean Genet, einer der europäischen Wahlverwandten des Butoh. Die Butoh-Aufführungen: immer auch Auseinandersetzungen mit Masken, Maskeraden, Außen- und Innenräumen, Kunst und Leben - und der Sehnsucht, das wieder zu verbinden: Mensch und Natur, Kopf und Bauch, Männliches, Weibliches. Rezepte, Programme, Antworten sind dabei nicht zu erwarten. "Ich habe gelernt, ein- und auszuatmen, und bin an einem bestimmten Ort groß geworden, unmöglich, dieses ganz persönliche Erlebnis lehren oder lernen zu wollen", erklärte der Tänzer und Choreograph Tatsumi Hijikata, der zusammen mit Kasuo Ohno einer der Wegbereiter des Butoh war. "Die Beobachtung der Kinder und wie sie mit dem eigenen Körper umgehen hat meinen Butoh stark beeinflußt", stellte er in seinem letzten öffentlichen Vortrag fest und erinnerte an den kindlichen Umgang mit Gegenständen, die tot genannt werden: "Ich habe einmal eine Schöpfkelle heimlich mit ins Feld genommen und dort zurückgelassen, weil sie mir in ihrer dunklen Küche leid tat - ich wollte ihr das Land zeigen. Die Glieder und Teile seines Körpers wie eigenständige Gegenstände oder Werkzeuge zu empfinden und, umgekehrt, die Dinge zu lieben wie seinen eigenen Körper: Hier liegt ein großes Geheimnis für den Ursprung des Butoh."
Butoh beinhalte mehr, als nur eine Theatervorstellung zu spielen - "es ist Leben, und ich muß dabei mich, meinen Körper verstehen und finden", sagt Ushio Amagatsu. Doch mit Worten könne er Butoh nur schwer definieren. "Ich kann meine Antwort nicht sagen, nur tanzen - und wenn ich sie wüßte, würde ich vielleicht aufhören zu tanzen." In seinem Stück Kinkan Shonen steht er einmal im bodenlangen schwarzen Abendkleid auf der Bühne und tanzt. Tanzt und tanzt, als könne er nicht mehr aufhören und suche jemanden, der ihm helfen könnte, diesen Tanz zu beenden. In einem Gedicht heißt es: "Doch immer war's ein Tanzen ohne Ende." In Unetsu tanzt Amagatsu durch das Wasser, zwischen den Menschen, die erstarrt sind wie Steine - als wolle er mit seinem Tanz die Steine zum Leben erwecken. "Wie Steine auf dem Friedhof warten sie / mit offnen Augen auf den letzten Blick", schreibt Heiner Müller in seinem Stück Zement.
Die Bilder bleiben. Die Bilder kehren wieder. Shijima. In einem Rechteck aus Licht liegt ein Mann wie in einem Sarg. Vier Männer mit Kapuzen tragen den Leblosen durch den Raum. Langsam beginnt sich der erstarrte Körper zu bewegen und scheint zu schweben. In Kinkan Shonen liegt ein Mann zusammengekauert auf dem ebenen Bühnenboden und entdeckt die Welt wie ein Kind. Entdeckt das Sehen, das Hören, das Tasten, das Riechen, das Schmecken. Wirft sich wieder und wieder die auf dem Boden liegenden Reiskörner und Sand in den Mund, spuckt sie aus und wirft sie sich wieder in den Mund - mit einer Ausdauer und Unbeirrbarkeit, einer Lust und einer Verzweiflung, die an Charlie Chaplins Tramps erinnert, an Kinder auch und eine Legende des Butoh: den 1906 geborenen Kasuo Ohno, der auf der Bühne Kind sein kann und Greis, Priester und Clown, ein Zauberer, der von Trauer spricht und Freude, Hoffnung und Angst, von Verwundungen und der Beharrlichkeit eines Schmetterlings, der mit verletztem Flügel bereit ist zu fallen und doch nicht müde wird, wieder und wieder aufzuflattern. "Der Augenblick äußerster Müdigkeit, wenn eine extreme Anstrengung den Körper wieder aufrichtet: Das ist der wahre Ursprung des Butoh. Tod und Wiedergeburt. Das Glück, trotz des hohen Alters in Gang zu bleiben wie ein Oldtimer. Die Toten beginnen zu laufen."
Einfach gehen. "Put your foot on the floor slowly", notiert Ushio Amagatsu in einem Text zu Unetsu. Auch in anderen Stücken ist immer wieder dieses Gehen zu sehen. Vorsichtig setzen die Tänzer einen Fuß vor den anderen - als könne jeder Schritt in den Abgrund führen, ins Unbekannte, Vergessene. Zum Beispiel in Kinkan Shonen, im "erinnernden Traum eines geschorenen Knaben". Mit kleinen Schritten kommt ein Mann nach vorn, groß wie ein Zwerg, mit alterslosem Gesicht. Steht an der Rampe und lacht ein Lachen, von dem man nicht weiß, ob es nicht ein Weinen ist, das sich hinter einem Lachen zu verbergen und zu schützen sucht. Mit diesem Lachen, das stumm ist und als sehr laut im Gedächtnis nachklingt, geht er zurück und entdeckt den aufs Glas gemalten roten Kreis. Nähert sich ihm und stößt an die gläserne Scheibe. Hält inne. Geht weiter und lacht weiter. Steht vor einer Stufe und versucht, die für ihn kaum überwindbare Barriere zu überwinden. Unternimmt immer neue Ansätze. Schafft es - und erlebt schon wenig später die neue Höhe als Abgrund. Hebt die Arme wie Flügel und stürzt zu Boden. Bleibt eingerollt wie ein Embryo auf der Seite liegen. Bewegt sich vorsichtig. Entdeckt sich, eine Hand, ein Bein, seinen Körper, der sich aus der Kleidung schält und wächst, groß wird, normal. Aus seinem Lachen ist ein Weinen geworden. Wie über einen Verlust weinend steht er da: im bodenlangen schwarzen Abendkleid, tanzend. Vorn, im Halbdunkel, sitzt ein einzelner Mann unberührbar da wie eine Statue.
"Parlez-moi d'amour." Ein Mann streicht sich mit den Händen über das Gesicht.
Ein Freund zeichnet zwei Fische, die nicht mehr im Wasser sein wollen.
Ein Mann hält einen Pfau in seinen Armen und scheint mit ihm zu tanzen, preßt sich an ihn, bewegt sich zärtlich mit dem Vogel und hält seinen Hals und seinen Körper fest umschlossen. Vorsichtig geht er mit ihm auf die mit einem roten Kreis bemalte Glasscheibe zu und steht hinter dem roten Rund wie vor einem Spiegel, stolz und erschreckt, voller Sehnsucht und Trauer. Entfernt sich. Läßt den Körper und dann auch den Hals des Pfauen los. Läßt den Vogel frei und fliegen - und scheint ihn doch noch immer in den Armen zu halten.
"Write about your feelings", forderte mich Ushio Amagatsu bei unserem ersten längeren Gespräch auf. Später sagte er noch: "Das direkte Gefühl ist wichtig." Er bezog das auch auf seine Aufführungen, die auch und nicht zuletzt als Zeremonien zu verstehen sind. "Ich denke immer an eine Zeremonie, bei denen Leute für ein, zwei Stunden zusammenkommen und dann wieder in ihr Leben zurückgehen. Es sind nur ein oder zwei Stunden, und nur fünf Leute spielen, aber es ist dieselbe Zeit und derselbe Raum - und in dieser Zeit entsteht vielleicht eine Veränderung." Wenn Amagatsu in seinen Stücken von Liebe und Gewalt, Geburt und Tod, den Stürzen aus dem Kindheitstraum und dem schmerzhaften Erwachsenwerden spricht, ist immer auch eine große Sehnsucht zu spüren - nach direkten Erfahrungen, nach Schönheit und Veränderungen des Bestehenden. So geben die Vorstellungen von Sankai Juku immer auch eine Ahnung davon, daß alles ganz anders sein könnte. Einmal schenkte mir Amagatsu ein von ihm aufgenommenes Polaroidbild, das etwas scheinbar Unmögliches zeigte: ein rohes Ei, das aufrecht steht. Auf der Bühne scheinen die Tänzer manchmal zu fliegen, mit den Händen, mit dem Körper - gleich dem Weisen aus ferner Zeit, der sich einen Traum erfüllte und die anderen lehrte, "wie man mit beiden Beinen auf der Erde träumt".
Die Bilder bleiben.
Die Bilder kehren wieder.
Spuren von Körpern an hohen Wänden.
Ein einzelner in einer Wand, hoch über den anderen. Der Boden ist unerreichbar, der Mund geöffnet zu einem stummen Schrei.
Ein Mann geht durchs Wasser.
Sand fällt vom Himmel.
Eier schweben.
Wände verschwinden.
Fingerspitzen, rot, wie in Blut getränkt.
Ein Ei zerspringt.
Die Körper der Menschen, die erstarrten wie Steine, stürzen ins Wasser, richten sich auf, stürzen wieder, richten sich wieder auf, stürzen, stürzen, stürzen, richten sich wieder auf.
Ein Platz bleibt leer.
"Ein Tag, an dem der Schnee fällt, ist ein kalter Tag", heißt es in Junichiro Tanizakis Lob des Schattens.
Raimund Hoghe über das Japanische in seiner Kunst
Interview von Katja Schneider
Sie verwenden Requisiten, die einen bestimmten kulturellen Kosmos repräsentieren: einen Zen-Garten, Lackschalen und -dosen, japanische Schuhe und Fächer. Was verbinden Sie mit diesen Objekten?
Mich faszinieren die Form und die Funktion dieser Objekte. Eine ähnlich überzeugende Verbindung gibt es auch in unserer Kultur, nämlich in den Arbeiten einiger Bauhaus-Künstler. Ich verwende diese aus dem außereuropäischen Kulturkreis kommenden Objekte aber nicht aus exotischen Gründen, sondern mich interessieren die Klarheit ihrer Form und ihre Möglichkeiten, zum Beispiel die Lackschalen, in denen sich das Licht spiegelt, oder die Papierfächer und Papierschirme, durch die das Licht scheint.
Sie sind im vergangenen Frühling in Japan aufgetreten. Waren diese Japanalia und der zeremonielle Charakter Ihrer Stücke Gesprächsthema?
Was viele verblüfft hat, war die Dunkelheit auf meiner Bühne. Als ich sagte, daß mich nicht zuletzt Junichiro Tanizakis Lob des Schattens zu dieser Arbeit mit reduziertem Licht auf der Bühne angeregt hat, mußte man lächeln. Eine andere Sache war, daß die japanischen Objekte, die ich in den Vorstellungen benutze, im Japan von heute auch schon fast wieder fremd sind. In den großen Shopping-Centern wird man sie nicht finden, dort bestimmen Produkte aus der westlichen Kultur das Bild. Meine Objekte wurden dann wie eine Erinnerung an die eigene Geschichte gesehen. Darum geht es ja sowieso immer in meinen Stücken, daß ich die Zuschauer an ihre Geschichte erinnere.
In Ihrem Text verbinden Sie die von Ushio Amagatsu entworfenen Bilder mit (fremden) Zeremonien und Erinnerungen an die Kindheit. Diese Kopplung von Ritual und Kindheit kennzeichnet auch Ihre Arbeit. Haben die Auftritte von Amagatsu Sie dazu angeregt? Für was hat sein Tanz Ihnen die Augen geöffnet?
Für die Klarheit einer Bewegung, für die Reduktion, für den Verzicht auf ornamentale Ausschmückung. Auch für die Reduktion der Farben, für den sehr bewußten Einsatz von Farbe und Nichtfarbe. Kinderspiele sind wie ein Ritual, das ist von Amagatsu beeinflußt, aber auch von Kasuo Ohno, der auf der Bühne noch etwas Kindliches haben konnte, obwohl er schon über 80 war. Das Thema Kindheit war mir natürlich auch durch die Arbeit mit Pina Bausch sehr vertraut.
In Ihren Stücken verbergen Sie häufig Ihr Gesicht hinter einem Fächer, einem Tuch, oder Sie drehen sich vom Publikum weg. Haben Sie jemals daran gedacht, wie im Butoh Schminke zu verwenden?
Vor einigen Jahren habe ich angefangen, vor einer Vorstellung Puder aufzutragen. Das ist für mich ein Ritual geworden, und auch wenn der Zuschauer nicht sehen kann, daß ich Puder auf dem Gesicht habe, ist diese Puderschicht für mich wichtig. Das hat schon etwas von einer Maske, wenn auch natürlich nicht vergleichbar mit den gepuderten Körpern von Sankai Juko. Auch wenn wir den gleichen Puder verwenden.
Butoh war auch eine Protestbewegung gegen die Amerikanisierung, stand mit seinen von der Norm abweichenden Körpern aber nicht nur quer zum amerikanischen Schönheitsideal der langen Beine und kleinen Köpfe, sondern auch zu dem der traditionellen japanischen Ästhetik. Vereinen Sie quasi in einem "Riß" US-Songs, japanische Teezeremonie und "Bilder, der Schönheit, die nicht ungebrochen sind", wie Sie über Amagatsu schreiben?
Ja.
Butoh-Tänzer sind sehr expressiv, arbeiten - wie im deutschen Ausdruckstanz - mit ausdrucksstarken Gesten. Sie vermeiden das eher, verwenden statt dessen vor allem präzise unterscheidende Gesten. Warum?
Ich komme immer wieder auf den gleichen Punkt zurück: die Klarheit der Objekte und der Gesten. Die sehe ich bei einigen Butoh-Tänzern wie bei einigen Ausdruckstänzern. Und danach suche ich auch für mich. Was bei bei mir vielleicht auffällt, ist, daß ich Gesten nicht ausstellen will, so daß man sagen könnte: Das ist aber eine tolle Geste. Es sollte immer selbstverständlich und beiläufig sein und zugleich präzise und klar. Nicht ausgestellt, sondern eher kaschiert.
In Ihrem jüngsten Stück "Young People, Old Voices" haben Sie mit belgischen und französischen Jugendlichen gearbeitet und dabei Ihre spezifische Form der rituellen Gesten, Wiederholungen und Reduktionen beibehalten. Wie war die Arbeit mit diesen Jugendlichen? Wie haben Sie Ihre Auffassung vermittelt?
Die Arbeit war sehr schön und sehr anstrengend. Fast alle hatten ja noch nie auf einer Bühne gestanden, sondern kommen aus verschiedenen Richtungen: Zwei haben Anthropologie studiert, einer Film, eine Fotografie und so weiter. Was ich toll fand, war, daß sich alle auf meine Arbeit eingelassen haben und damit auch auf ihre Geschichte. Alle mußten ein wichtiges Objekt, ein Musikstück und Fotos zu den ersten Proben mitbringen. Das haben alle gemacht und der Gruppe präsentiert. Ich habe sie auch nach eigenen Bewegungen gefragt, die sind aus dem Zusammenhang genommen und heute auf der Bühne nicht mehr zu erkennen. Die Rituale habe ich ihnen erklärt, aus welchem Kulturkreis sie kommen, was sie bedeuten, das war ihnen dann nicht mehr fremd. Dabei habe ich gemerkt, daß Rituale verbinden, gleich, aus welchem Kulturkreis sie kommen. Einige der jetzt gezeigten Szenen habe ich auch in Japan in einem Workshop gemacht, und das war kein großer Unterschied, obwohl die Teilnehmer Japaner waren und bedeutend älter. Das Ritual verbindet Menschen.
tanzdrama Nr.67, 2002